Chatten mit dem Professor, lernen im Online-Skript
So eine Jura-Vorlesung hat es an einer deutschen Uni wohl
noch nicht gegeben: Um die Ausbildung im Massenfach Verwaltungsrecht zu verbessern,
betreut Prof. Dr. Dirk Heckmann die Studenten in diesem Sommersemester auch
online auf der eigens dafür eingerichteten Internetseite www.vorlesung-verwaltungsrecht.de.
"Limbo" heißt das Projekt, die Abkürzung steht für "Lehre in Massenfächern
- online betreut" (wobei die Anfangsbuchstaben von "online betreut" im Logo
vertauscht werden). Gegliedert ist die virtuelle Vorlesung in drei Phasen:
Virtuelle Vorbereitung: "In der Vorbereitungsphase werden die Studenten
im Internet in zum Teil spielerischer, doch anspruchsvoller Form auf den Inhalt
der jeweiligen Vorlesungseinheit vorbereitet", sagt Prof. Heckmann. Beispiel:
Die Studenten übernehmen bei einem Online-Rollenspiel den Part des Anwalts und
vertreten einen Kutscher, der vom Landratsamt die Betriebsgenehmigung aufgekündigt
bekommen hat. Der Professor übernimmt die Rolle des Verwaltungsbeamten und des
Richters. Dabei stehen den Studenten ausgewählte Urteile und Gesetzestexte zur
Verfügung. "Ein bis zwei Stunden dauern jeweils Vor- und Nachbereitung der Vorlesung
im Internet", sagt der Jurist.
Vorlesung: Die eigentliche Vorlesung im Hörsaal - zu Beginn stellen die
Teilnehmer die Ergebnisse aus den Planspielgruppen vor. "Alle Hörer werden so
auf die folgenden Inhalte der Vorlesung eingestimmt", sagt Prof. Heckmann. Während
bei einer "traditionellen Vorlesung" ohne Internet-Begleitung die Hörer erstmals
mit dem jeweiligen Lernstoff konfrontiert werden, werden die Grundlagen dank
"Limbo" bereits online gelegt - die Vorlesung erfüllt so wieder ihren ursprünglichen
Zweck: Diskussion mit dem Professor. Der Lehrende muss nicht mehr primär Wissen
vermitteln, er kann mit den Studierenden das vorher Gelernte vertiefen und interpretieren.
Virtuelle Nachbereitung: Nach der Vorlesung bereiten die Studierenden
das Gelernte wieder im Internet nach. Dabei steht ihnen u.a. ein Online-Skript
zur Verfügung, das nach dem jeweiligen Wissensstand gegliedert ist. So unterscheidet
sich das Online-Skript von den herkömmlichen Lehrbüchern. "Pointiert ausgedrückt:
Es entfallen das ,Kleingedruckte' und die Fußnoten, bei denen man sich früher
fragte, ob die Lektüre wirklich immer zielführend ist", sagt Prof. Heckmann.
In Online-Foren haben die Studierenden, wenn gewollt anonym, zudem die
Möglichkeit, Unverstandenes untereinander zu diskutieren oder nachzufragen.
Die Professoren-Sprechstunde wird im Chatroom abgehalten. "Dabei ist für die
Studenten sowohl die aktiv-fragende, als auch die passiv-beobachtende Teilnahme
ein Gewinn." Der Dozent wiederum erhalte durch die zeitnahe Analyse Aufschlüsse
über die Schwächen und Stärken der Stoffvermittlung und könne dies im weiteren
Fortlauf der Vorlesung berücksichtigen.
Eine weitere Besonderheit der Online-Nachbereitung sind Prüfungsmodule.
"Das kann so weit gehen, dass man mündliche Prüfungen im Chatroom simuliert,
damit die Studenten wissen, wie sowas abläuft." Im sogenannten Online-Servicecenter
können sich die Studenten per E-Mail zur Prüfung anmelden, über E-Mail oder
SMS die Noten erfahren und sich informieren lassen, wenn Vorlesungen verschoben
werden. "Damit trägt der Internet-Einsatz erheblich zur Entlastung der Sekretariate
bei Organisation und Durchführung von Massenvorlesungen bei."